Kanada - Ontario - 18. Juni bis 17. Juli 2024

Wir verlassen Montreal und kommen in die Provinz Ontario. Der Bundesstaat hat eine Fläche von über eine Million qkm und ist damit größer als Frankreich und Deutschland zusammen. Obwohl der Anteil Ontarios an der gesamten kanadischen Fläche nur gut 10% beträgt, ist es die Provinz mit der höchsten Bevölkerungsdichte in Kanada von 11,2 Einwohnern pro qkm. Zum Vergleich, Deutschland hat eine Fläche von 358.000 qkm bei einer Bevölkerungsdichte von 236 Einwohnern pro qkm.

In Cornwall machen wir einen Stopp um mal wieder die Wäsche zu waschen. Außerdem brauchen wir ein stabiles Internet für das Spiel der Deutschen Mannschaft bei der Fußball Europameisterschaft. Wir übernachten an der Marina und gehen am Morgen im Ort bummeln und wollen mal so richtig amerikanisch frühstücken, mit viel Kalorien und Kaffee. Tatsächlich finden wir neben den bekannten Standard Fastfood Ketten ein Diner das wirklich so aussieht als wäre es aus der Zeit gefallen. Inneneinrichtung und Personal Mitte der 1950er und die Preise erfreulicherweise ebenso. Weiter geht’s auf dem Trans Canada Highway (TCH) immer am Sankt Lorenz Strom entlang bis zum Upper Canada Village, einem Museumsdorf das die Struktur und die Einrichtungen einer typischen ländlichen Kleinstadt im Ontario des 19. Jahrhunderts wieder lebendig macht. Die handwerklichen Tätigkeiten wie Sägewerk, Bäcker, Schmied, Getreidemühle und vieles mehr werden von Einheimischen in zeitgenössischer Tracht nachgestellt. 

Die Gegend am Sankt Lorenz Strom ist dicht besiedelt und es wird schwieriger einen freien Übernachtungsplatz zu finden, denn die Verbotsschilder mit `no overnight camping` begegnen uns nun immer öfter. In Brookville gibt es eine ungewöhnliche Sehenswürdigkeit. Ein 500m langer Eisenbahntunnel der bis 1954 noch in Betrieb war führt praktisch unter der Stadt durch und wurde für den Tourismus restauriert. Wir fahren etwas weg vom Fluss bis zum Graham Lake. Dort finden wir einen schönen und bezahlbaren Campground am See der alles hat was wir brauchen. Hier bleiben wir für ein paar Tage und machen mal Urlaub. Nach vier relaxten Tagen geht es weiter. In Kingston machen wit einen Stadtbummel und besuchen wir das Fort Henry, bis Mitte des 19ten Jahrhunderts ein wichtiger Militärposten am Sankt Lorenz Strom. In den 1930er Jahren wurde das Gelände als National Historic Site restauriert und ist heute eine Touristenattraktion. Studenten verdienen sich hier ein paar Dollar indem sie Militärparaden, Wachablösung und Artilleriefeuer vorführen. Angesichts der Performance schaut sich das hoffentlich niemals jemand an der beim Militär für die Ausbildung zuständig ist. 

Weiter geht’s in die Millionenstadt Toronto. Wir gehen auf einen Provincial Park vor den Toren der Stadt und fahren von dort mit dem GoTrain in 40min direkt bis zur Union Station. Von dort bummeln wir durch die Straßenschluchten und bei super Sonnenwetter ergeben sich jede Menge tolle Fotomotive. Das Highlight ist natürlich der CN Tower, der mit 553m bis 2007 das höchste Gebäude der Welt war bevor es von Dubai und dann den Chinesen übertroffen wurde. Wir haben einen Time Slot für den Nachmittag ergattert und der Lift bringt uns in 58 Sekunden zur ersten Aussichtsplattform auf 350m. Von dort geht es dann nochmal weiter bis auf 450m. Wagemutige können auch am Edge Walk teilnehmen und in 400m Höhe auf einem schmalen Grat den Turm umrunden. 

Nur 70 Kilometer sind es von Toronto bis zu den Niagara Fällen. Im Gegensatz zu vielen anderen Touristen Hotspots parkt man hier für $20 die Nacht und kann alles bequem zu Fuß erreichen. Auf der kanadischen Seite hat man die bessere Sicht, aber dafür wird alles gnadenlos vermarktet. Im Prinzip ist das Ganze Areal ein großer Vergnügungspark mit Wasserfall. Abends werden die Fälle illuminiert und jeden Tag um 22:00 gibt es ein großes Feuerwerk. 

Nun reicht es uns erstmal mit Trubel und Massentourismus und wir fahren nach Kitchener und St Jakobs. Hier sind die Mennoniten zu Hause die sich erstmals 1776 in Ontario angesiedelt haben und ursprünglich aus den Niederlanden und Norddeutschland kamen. Die Traditionalisten unter ihnen lehnen die Nutzung moderner Technik rigoros ab. Wie in alten Zeiten spannen sie Pferde vor den Pflug und fahren in der Kutsche zur Kirche. Dazu gibt auf der Landstraße sogar eine eigene Kutschenspur und am Supermarkt einen eigenen Parkplatz mit Futter für die Pferde. Die meisten Glaubensbrüder fahren aber mittlerweile mit dem Auto. Viele Traditionen haben sich bis heute erhalten. So findet in Kitchener, das bis zum 1. Weltkrieg Berlin hieß, das größte Oktoberfest in Nordamerika statt. Radiosendungen mit kirchlicher Ausrichtung werden in deutscher Sprache ausgestrahlt und es gibt Monatszeitungen ebenfalls in deutscher Sprache mit einer Auflage von bis zu 30.000 Exemplaren. 

Wir fahren am Huron See entlang und Kindheitserinnerungen der Jugendbücher von Lederstrumpf, den Huronen und Irokesen werden wach. Über Sudbury kommen wir bei Sault St Marie an den Lake Superior und der ist mit einer Fläche von über 82.000 qkm wirklich riesig. Dagegen wirkt der Bodensee mit 536 qkm gerade mal wie eine kleine Pfütze. Wenn man am Sandstrand am Ufer steht kann man kaum glauben, dass man nicht am Meer ist. Bis zum Horizont ist nur Wasser zu sehen. Der TCH geht immer am See entlang, begleitet von der Bahnstrecke. Die Provincial Parks liegen zwar am See mit Badestrand, aber praktisch direkt zwischen Highway und Zug und sind dazu auch noch richtig teuer. Da hilft nur ein Ausweichen auf eine Forststraße der wir 2km lang folgen und uns dann über eine ungestörte Nachtruhe freuen dürfen. Auf dem weiteren Weg kommen wir durch den Ort Wawa was so viel bedeutet wie Wildgans. Die machen nämlich in gewaltigen Schwärmen auf ihrer jährlichen Wanderung hier Station und so ist es kein Wunder, dass das Wahrzeichen des Ortes die Gans ist. Im Pukaskwa National Park machen wir mal ein paar Tage Pause, machen ein paar schöne Wanderungen im Park und uns von der vielen Fahrerei. 

Abgesehen von ein paar netten Übernachtungsstopps an Seen abseits der Hauptroute geht’s immer am unendlichen Superior Lake entlang. Hin und wieder liegen ein paar Highlights am Weg wie zum Beispiel der Quimet Canyon den man auf einem kurzen Trail von zwei Aussichtspunkten aus bewundern kann. Und dann ist da noch die angeblich längste Hängebrücke Kanadas. Das Areal ist mit Stacheldraht und Videoüberwachung abgeschirmt wie ein Hochsicherheitstrakt. Für den Besuch werden zu zweit stolze $52 fällig. Das fanden wir dann doch etwas übertrieben, aber 25.000 Besucher pro Jahr rechtfertigen wohl solche Eintrittspreise. Wie auch immer, dieses Jahr sind es auf jeden Fall zwei Besucher weniger. 

In Thunder Bay ist eines der besten `lebenden` Museen in Kanada, der Fort Williams Historical Park. Von 1803 bis 1821 war es das westliche Hauptquartier der North West Company und diente den Pelzjägern am Superior See als zentraler Umschlagplatz und Winterquartier. Von hier aus wurden die Felle auf riesigen Lastkanus im Frühjahr nach Montreal transportiert. Das alte Palisadenfort wurde originalgetreu wieder aufgebaut und 1973 von Queen Elizabeth II feierlich eröffnet. Es vermittelt ein authentisches Bild vom Leben am Rande der Wildnis um 1815 und ist sehr empfehlenswert. 

Bei Thunder Bay verlassen wir den Superior Lake und fühlen uns plötzlich umgeben von Landwirtschaft und Farmen wie in Oberbayern. Karin hat eine Farm für Gouda Käse ausfindig gemacht und wir decken uns reichlich damit ein, denn Käse ist im Supermarkt generell sehr teuer und die Auswahl meistens sehr bescheiden. Ein paar Kilometer weiter westlich kommen wir an die Kakabeka Falls die in vollmundiger Touristenwerbung als die Niagara Fälle des Nordens bezeichnet werden. Der Vergleich ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber die Fälle, die sich hier 39 Meter in die Tiefe stürzen, sind schon sehr beindruckend.

Nach weiteren endlosen Kilometern auf dem TCH, in der Regel umgeben von nichts als Wäldern, Seen und lästigen Stechfliegen, erreichen wir Kenora und damit die Provinzgrenze nach Manitoba mit der Hauptstadt Winnipeg. Was wir dort erleben erfahrt ihr dann wie immer im nächsten Blog.

 

Unsere Route für diesen Reiseabschnitt - 3000 km

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Kommentare: 2
  • #1

    Frank Koepp (Freitag, 26 Juli 2024 09:11)

    Hallo Karin, Hallo Manfred
    Wieder einmal ein toller Reisebericht. Ich kann Deine Erinnerungen an Lederstrumpf nachempfinden. Eine wirklich tolle Gegend.

    So wie es aussieht, treibt es Euch ja direkt nach Westen. Wollt Ihr Alaska im August/September mache und dann runter nach Süden?

    Danke das ich dabei sein darf, bei Euren Erzählungen! Bleibt Gesund und habt immer genügend Sprit im Tank!

    Frank

  • #2

    Margit (Samstag, 27 Juli 2024 21:34)

    Beeindruckende Aufnahmen der Natur und interessanter Bericht.
    Genießt euren Käse �.
    Liebe Grüße vom Bodensee Margit