An der Grenze ist nichts los. Wir sind praktisch die einzigen „Gäste“ und freuen uns schon, dass wir mal nicht Schlange stehen müssen. Leider hatten wir die Mittagspause vom Zoll nicht einkalkuliert. Die wird nämlich akribisch eingehalten und dauert exakt eine Stunde. Bis dann die unzähligen Kopien gemacht sind und wir alle Stempel haben sind dann doch wieder mal 2 Stunden rum. Das scheint unsere Standard Verweilzeit bei Grenzübertritten zu sein....
Wir starten durch, denn auf den ersten 100 km gibt es nicht viel zu sehen. Pünktlich zur Rush Hour sind wir in Guatemala Stadt. Das hätten wir mal besser anders geplant. Für 10m brauchen wir 5min, der Smog ist im wahrsten Sinne des Worten atem(be)raubend und zu allem Überfluss hält uns auch noch ein Verkehrspolizist mitten im Gewühl an und erklärt uns, dass für Fahrzeuge über 3.5to in der Rush hour Fahrverbot ist. Wir sollen an den Straßenrand fahren und bis 20:00 warten. Also fahren wir in eine Seitenstraße und machen einen kleinen Umweg, wobei wir den Polizisten elegant umfahren, bis wir wieder auf der Hauptverkehrsstraße sind. Leider kommen wir nicht weit. 1km später werden wir wieder rausgewunken. Aber die Jungs sind wirklich sehr nett und nach einiger Diskussion und einem Small Talk über Fußball und Bayern München bekommen wir eine mündliche temporäre Erlaubnis und dürfen weiterfahren. Mittlerweile ist es aber dunkel geworden und der Spaßfaktor beim Fahren geht gegen null. Zwei Stunden später, in denen wir ganze 10km zurückgelegt haben, sind wir endlich an unserem Ziel angekommen, einem netten Schweizer Hotel am Stadtrand. Für heute reicht es dann auch. Das war dann mal wieder einer dieser Tage die wir nicht so oft brauchen.
Guatemala ist mit 16 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat in Zentralamerika, aber auch einer der ärmsten. Rund 54% der Bevölkerung leben in Armut und 13 Prozent in extremer Armut. Das pro Kopf Einkommen liegt bei $320 pro Monat. Dabei sind die Überweisungen von ausgewanderten Guatemalteken, die illegal in USA leben, von großer Bedeutung. Schätzungsweise 5 Milliarden Dollar werden von ihnen jährlich an ihre Familien in der Heimat überwiesen und sichern ihnen damit das Überleben. Von 1960 bis 1996 herrschte in Guatemala ein Bürgerkrieg der über 200.000 Menschen das Leben gekostet hat und zeitweise die Ausmaße eines Genozids an der indigenen Bevölkerung hatte. Heute ist Guatemala eine unabhängige demokratische Republik mit Mehrparteiensystem, aber Korruption und Vorteilsnahme sind nach wie vor in allen Bereichen des öffentlichen Lebens präsent. Das Justizsystem ist in einem desolaten Zustand und geprägt von Willkür. Die Kriminalitätsrate ist sehr hoch und die Hemmschwelle zu Gewalt niedrig. Wenn man die Länderinformationen vom Auswärtigen Amt zum Thema Kriminalität liest, sollte man besser einen großen Bogen um das Land machen.
Aber wir sind ja in unseren 3 Reisejahren schon gut abgehärtet und lassen uns nicht abschrecken, denn das Land hat viel zu bieten. Am nächsten Morgen verlassen wir den Großraum von Guatemala City und fahren weiter nach Antigua, der Vorzeigekolonialstadt des Landes und Touristenmagnet. Die prächtige Kulisse wird dann auch noch umrahmt von drei mächtigen Vulkanen, dem Agua, dem Acatenango und dem meist rauchenden und ab und zu Lava spuckenden Fuego. Der Platz der Touristenpolizei, auf dem man kostenlos mitten in der Stadt stehen kann, ist gleichzeitig auch ein Treffpunkt für Overlander. Wir gönnen uns nochmal 5 Tage Spanischunterricht und sind hinterher froh, dass unsere Schulzeit schon lange vorbei ist. Jeden Tag 4 Stunden Einzelunterricht und dann auch noch Hausaufgaben schlauchen einen doch ganz schön. Wir bummeln durch die Gassen, genießen das bunte Treiben und lassen es uns gutgehen. Für uns eines der beeindruckensten Gebäude ist der Convent Santo Domingo, ein Luxus Hotel eingebettet in einem alten Kloster mit mehreren Museen und Krypten wo man stundenlang verweilen kann. Abends sitzen wir dann in gemütlicher Runde mit Steffi und Robert, oder zocken Schafkopf mit Bennie und Chandra und leeren zusammen ein paar Gläser von dem guten Rum aus Nicaragua.
Nach 10 Tagen geht es weiter zum Lago Atitlan, wie Antigua auch ein Highlight das auf keiner Guatemala Reise fehlen sollte. Schon Alexander von Humboldt bezeichnete ihn als den schönsten See der Welt und beim Anblick des Sees, der von drei Vulkanen eingerahmt ist, kann man ihm kaum widersprechen. Wir haben einen traumhaften Wiesenplatz direkt am See in der Nähe vom Hauptort Panajachel. Der Ort selbst ist sehr touristisch und ein Souvenirstand reiht sich an den anderen mit Dingen, die kein Mensch wirklich braucht.
Sonntags ist ein großer Markt in Chichicastenango und die Bauern kommen aus der ganzen Umgebung dorthin um ihre Waren zu verkaufen. Mittlerweile hat sich der Markt zu einem Touristenmagnet entwickelt und an manchen Markttagen ist das Verhältnis zu den Einheimischen fast ausgeglichen. Wir fahren eine Stunde mit dem Bus hin und stürzen uns ins Gewühl. Es empfiehlt sich gut auf seine Wertsachen aufzupassen denn Touristen wecken auch Begehrlichkeiten und so sind einige Jugendliche in kleinen Gruppen unterwegs und suchen Opfer um sich ihr Taschengeld aufzubessern. Wir bummeln rum, schieben uns durch das Gewühl und genießen das bunte Treiben. Lastenträger schleppen unglaubliche Gewichte an Waren durch die Gassen und die Frauen tragen die Kinder auf dem Rücken, an der Brust hängend, oder unter dem Arm und es wird gefeilscht und gehandelt. Eines der interessantesten Gebäude ist die Kirche Santo Tomas die auf einem alten Maya Tempel errichtet wurde. Auf den heiligen Stufen am Haupteingang werden mit Weihrauch und Kerzen die alten Götter beschworen um dann anschließend in die Kirche zu gehen und einen Heiligen der katholischen Kirche anzubeten. Diese Verschmelzung der Glaubensrichtungen gibt es nur in Guatemala und bestimmt auch heute noch das religiöse Leben der Indigenas.
Wir wollen ein bisschen von der wunderschönen Umgebung sehen und starten zu einer Bootstour zu den Dörfern rund um den See. Man könnte den See auch umwandern, aber leider ist spazieren gehen auf eigene Faust nicht ratsam, weil es immer wieder zu Überfällen auf Touristen kommt. Der erste Stopp ist in San Marco, einem sehr esoterisch angehauchten kleinen Ort. Hier gibt es viele Aussteiger und solche die es werden wollen und praktisch keine Meditationsform die nicht im Angebot ist. Wir fahren noch drei weitere Orte an von denen jeder seinen ganz besonderen Reiz hat, und am späten Nachmittag sind wir wieder zurück in Panajachel.
Nach ein paar Tagen verlassen wir unseren schönen Platz am See und fahren über Guatemala Stadt bis nach Quirigua, einer archäologischen Stätte mit den höchsten Stelen der Maya Welt. Wir übernachten auf dem Parkplatz und am nächsten Morgen besichtigen wir die Ruinen. Die steinernen Bildsäulen sind aus dem 7. und 8. Jahrhundert und die größte ist über 10m hoch und wiegt 65 Tonnen. Die Stelen dienten den jeweiligen Machthabern zur politischen Selbstdarstellung. Neben einem Bildnis des Herrschers findet man Hieroglyphentexte zur Geschichte und zur Beziehung des Königs zu den Göttern.
Unser nächstes Ziel ist Rio Dulce am Ausfluss vom Lago Izabal unweit der Karibikküste. Der Ort ist potthässlich und die LKWs die Tag und Nacht die große Brücke überqueren veranstalten mit ihren Motorbremsen ein höllisches Spektakel. Das Ganze wird dann noch kombiniert mit Musikbeschallung in voller Lautstärke bis tief in die Nacht. Will sagen, wir hatten schon bessere Nächte. Nichtsdestotrotz ist der Ort Treffpunkt für Weltumsegler und Aussteiger und die Bars rund um die Anlegestellen haben einen gewissen Charme. Von Karibikwetter ist allerdings erstmal nichts zu sehen. Es ist nur 20 Grad und kalt und regnerisch. Am nächsten Morgen machen wir eine Bootstour zum 40km entfernten Livingstone an der Karibikküste. Der Ort ist nur per Boot zu erreichen und eine Kuriosität in Guatemala, und anders als der Rest des Landes. Man hat das Gefühl in einem karibischen Städtchen gelandet zu sein und am Anleger wird man mit „Welcome to Afrika“ begrüßt. Um 1800 haben sich hier die Garifuna angesiedelt, Nachfahren der Überlebenden eines gestrandeten Sklavenschiffes. Wir bummeln ein paar Stunden durch den Ort, der uns jetzt nicht unbedingt vom Hocker reißt, und am Nachmittag geht es wieder zurück.
Wir entfliehen dem Lärm von Rio Dulce und fahren ein paar Kilometer weiter an den Strand vom Lago Izabal. Dort finden wir einen schönen Stellplatz direkt am See in dem man sogar schwimmen kann. Wir genießen die himmlische Ruhe bis...ja, bis am Montagmorgen um 7:00 die Arbeiter kommen und an einem Bungalow die Bauarbeiten fortsetzen. Endlich kommen auch mal wieder unsere Fahrräder zum Einsatz und wir radeln ein paar Kilometer bis zu einem heißen Wasserfall. Einen heißen Fluss hatten wir ja schon in Bolivien und heiße Quellen gibt es unterwegs zur Genüge, aber das ist nun wirklich mal was ganz Neues für uns. Wir schwimmen im kühlen Wasser und je näher man dem Wasserfall kommt, desto heißer wird es. Unten drunter haben sich Höhlen gebildet in die man hineintauchen kann. Ein schönes Badevergnügen das nur etwas getrübt wird durch bettelnde Kinder die kaum den Windeln entwachsen sind, aber den Spruch „Haste mal nen Dollar“ einwandfrei beherrschen.
Auf dem Weg nach Norden machen wir noch einen Stopp in der Finca Ixobel. Viele bleiben hier auf dem riesigen Grundstück mit seinem schönen Naturpool länger hängen, aber wir können dem beim besten Willen nichts abgewinnen. Es ist feucht und nasskalt und ein kurzer Aufenthalt im Freien wird umgehend mit vielen Bissen von allem möglichen Getier belohnt. Nach zwei Tagen verlassen wir fluchtartig das Gelände und fahren weiter nach Flores. Der kleine Ort liegt auf einer Insel im Peten Itza See und ist über einen Damm mit dem Festland verbunden. Wir müssen vorne dran parken, denn mehr als 3,5 Tonnen hält der Damm nicht aus. Der Ort hat nur wenige Hundert Meter Durchmesser und ist leicht zu Fuß zu erkunden. Die Häuser sind schön bunt und bieten nette Fotomotive, aber es könnte auch an einem See irgendwo in Südeuropa sein.
Dann freuen wir uns auf Tikal, die erste große Maya Anlage die wir auf unserer Reise besichtigen. Das Areal ist riesig und der gesamte Nationalpark umfasst 576qkm. Von der Eingangsschranke bis zu den Ruinen sind es nochmal 20km wo wir auf einer großen Wiese campen können. Wenn man nach 15:00 ankommt gilt das Ticket bereits für den nächsten Tag und man kann sich am Spätnachmittag schon mal einen ersten Eindruck verschaffen. Tikal hat während seiner langen Geschichte von 200v. Chr. bis 800n. Chr. die gesamte Maya Welt beeinflusst und ist ein großartiges Erlebnis. Gewaltige Paläste und bis über die Gipfel der Bäume hinausragende Tempel liegen in dichtem Regenwald versteckt. Mittendrin turnen Spider Monkeys in den Baumwipfeln herum und als gäbe es keine Schwerkraft und Brüllaffen markieren mit infernalischem Lärm ihr Revier. Es ist optimales Wetter und wir machen uns gleich auf den Weg. Die riesige Anlage wurde in einem Zeitraum von mehreren hundert Jahren errichtet und umfasst hunderte von Tempeln, Pyramiden und Stelen. Im Zentrum ist die Gran Plaza mit den hochaufragenden Pyramiden eins und zwei und für den Sonnenuntergang steigt man auf den Tempel vier der einen herrlichen Blick über den Dschungel bietet. Am nächsten Morgen sind wir schon ab 7 Uhr auf dem Weg und schauen uns alles nochmal in Ruhe an. Um diese Zeit sind noch nicht allzu viele Besucher unterwegs und an vielen Orten sind wir ganz alleine. Der Nebel wabert noch in den Bäumen und gibt dem Ganzen eine wahrhaft mystische Atmosphäre. Gegen 10 Uhr kommen dann die großen Reisebusse und um die Mittagszeit ist die Gran Plaza gut gefüllt. Um 13:00 verlassen wir die Anlage und fahren noch nach Yaxha einer weiteren Maya Stätte die etwas abseits liegt und daher weniger angefahren wird.
Yaxha zählt mit über 500 registrierten Strukturen zu den größten Maya Stätten in Guatemala. Die weitläufige Anlage ist wenig besucht und liegt an einer traumhaft schönen Lagune. Wir schauen uns alles an bis zum Sonnenuntergang und beziehen dann einen Campingplatz direkt am Seeufer. Leider ist schwimmen nicht ratsam da sich in der Lagune Krokodile tummeln, aber das tut der Schönheit keinen Abbruch.
Das war es dann mit Guatemala. Das Land, die Freundlichkeit der Menschen und die Naturerlebnisse, zusammen mit den Hinterlassenschaften der Maya Welt haben uns sehr gut gefallen und sind definitiv eine Reise wert. Nun geht es weiter nach Belize. Da ist alles ganz anders, denn es wird Englisch gesprochen. Aber darüber berichten wir euch wie immer im nächsten Blog. Bis dann. Hasta Luego.
Kommentar schreiben
Karin und Heiner (Donnerstag, 25 Februar 2016 14:36)
Wieder einmal ein interessanter und "bunter" Reisebericht. Wir fahren in Gedanken gern mit und denken oft an euch.
Viel Spaß und eine gute Zeit in Belize wünschen wir!
Margit und Manni (Donnerstag, 25 Februar 2016 15:47)
Danke für den wie immer super Bericht. Das Schönste ist zu hören, dass es Euch gut geht und Euch nichts passiert oder abhanden gekommen ist. Weiter so.
Jeannette Neff (Montag, 29 Februar 2016 13:01)
Bei den schönen Bildern und Farben bekomme ich doch gleich Heimweh! Euch gute Weiterfahrt und viel Vergnügen in Belize! Lange her seit Ibarra!
Margit (Dienstag, 01 März 2016 19:51)
Hallo ihr Zwei.
Wir hatten heute am 1.März Wintereinbruch. Es riecht noch nicht nach Frühling. Daher war es schön euren Blog im Warmen zu lesen.
Liebe Grüße Margit
Jürgen (Freitag, 25 März 2016 13:44)
Der fünfundvierzigste:
In Guatemala weiß jedes Kind,
wie höllisch weit weg die Azoren sind!
Guatemalteken
begegnen Usbeken:
Im Flieger 'ne ähnliche Zeit verrinnt!
PP